Was ist We Space?
Hier einige Hintergrundinformationen zur We Space Gemeinschaft, die in München im Jahre 2006 aus einer offenen Improtheatergruppe heraus entstanden ist und die 2019 etwa 700 Mitglieder hat.
Was macht We Space aus?
Die We Space Wochenenden sind ein offenes Seriengruppenevent, das darauf abzielt einen möglichst hohen Erlebniswert für die Teilnehmer zu schaffen, die Teilnehmer in Kontakt zu bringen, so eine wachsende Gemeinschaft aufzubauen und das bei möglichst geringem finanziellen und organisatorischen Aufwand. Das Konzept ist auf Selbstentfaltung ausgelegt, das Teilnehmer zu We-Space-Wochenenden Initiatoren werden und nach und nach immer mehr We Spaces Wochenenden angeboten werden. We Space Wochenenden sind anspruchsvolle Events und bieten die Möglichkeit das jeder einzelne sich bis an seine persönlichen Grenzen hin fordern kann und das geht nur, weil jeder selbst bestimmt, womit und wie er/sie sich in den Gruppenprozess einbringt. Jede Teilname an einem We Space Wochenende ist eine Herausforderung und je intensiver man sich einbringt, desto erlebnisreicher und belohnender ist oft auch der Verlauf.
Die Kernherausforderung für den We-Space-Initiator besteht darin, überhaupt erst einmal eine ausreichend große Gruppe von Freunden und Freundesfreunden für ein Wochenende zusammen zu bringen, um dann die Initiative, Gestaltungskraft und Kreativität der Teilnehmer möglichst stark zu aktivieren und aufeinander anzuwenden – sprich Mitmachangebote zu generieren, und ein warmes, verbindliches und energiegeladenes Gemeinschaftsklima zu erzeugen.
Die Teilnehmerstruktur eines We Spaces entsteht vor allem aus den Freundeskreisen des Initiators und der Orgateammitglieder, also denjenigen, die Verantwortung übernehmen. Das führt zu einem Nebeneinander von Leuten die sich sehr gut und anderen die noch kaum jemanden kennen und genau diese “Privatpartymischung” bietet für alle ideale Voraussetzung, um neue Leute kennen zu lernen, bestehende Beziehungen zu vertiefen und eine Gemeinschaft aufzubauen.
Alle Teilnehmer begegnen sich auf Augenhöhe, auch wenn sie unterschiedlich stark Verantwortung übernehmen. Alles was passiert geschieht freiwillig. Selbstorganisation ist die treibende Kraft, auf hierarchische Organisationsstrukturen wird nur wenn nötig zurück gegriffen.
Wozu der Aufwand?
Das faszinierend wirksame an diesem Ansatz ist für mich, dass der We-Space-Initiator der Hauptprofiteur in diesem Spiel ist, der selbstbestimmt in die Entfaltung und Verdichtung seines eigenen sozialen Umfeldes investiert. Das We Space Konzept ist ein Werkzeug dafür. Ich kenne (außer Encountergruppen) kaum vergleichbare Möglichkeiten, die obwohl sie unmittelbar die eigenen Individualbedürfnisse bedienen, quasi nebenbei einen derart massiven Mehrwert für andere Menschen schaffen. Als We Space Initiator fühlte ich mich oft am Peak meiner Selbstwirksamkeit. Wenn sich erst einmal herum gesprochen hat, wie sehr sich diese Initiative lohnen kann und die Widerstände diese anspruchsvolle Rolle anzunehmen weiter abgebaut wurden, sehe ich rosige Zeiten für eine neuartige soziale Bewegung, in die ich weiter mit Leidenschaft investieren werde, einfach weil mir ein Leben in dichter Gemeinschaft so gut tut. Ich halte den persönlichen Wert eines dichten und dynamisch sozialen Umfeldes für sehr hoch – er kann bis in die Nähe des Wertes von Partnerschaft hin reichen. Die Liste der positiven Rückwirkungen auf die eigene Befindlichkeit ist schier endlos. Der hohe Wert von Liebesbeziehungen und Partnerschaft steht außer Frage. Der Psychologe Martin Seligman konnte empirisch belegen, dass die zufriedensten Menschen auch die sozial engagiertesten sind. Ich bilde mir sogar ein zu spüren, dass mein aktuell dichtes Umfeld die natürliche Umwelt ist, für die ich genetisch „gemacht“ wurde. Ich komme zu dieser Einschätzung weil einiges von dem was ich dort lebe und erlebe, ich nur in und durch diesen sozialen Kontext leben kann. Und da diese sozialen Aspekte meiner Persönlichkeit offensichtlich real sind und ich sie auch bei anderen in solchen Gruppenkontexten zu erkennen glaube, fällt mir erst deren fehlen in einsamen Phasen meiner Vergangenheit und allgemein im Arbeits- und Konsumalltag auf. Der Mensch ist von seiner Biologie her drastisch sozialer konzipiert, als ihm seine moderne Leistungswelt zugesteht und er ist kulturell seinen biologischen Anlagen gegenüber nicht beliebig plastisch. Je weiter er sich von seinem ursprünglichen „Jäger und Sammler Alltag“ entfernt, desto angespannter wird seine Bedürfnisbalance.
We Space ist eines der Werkzeuge, um dem Grundbedürfnis nach Gemeinschaftserleben nachzukommen. Ich war früher regelmäßig einsam. Heute taucht das Gefühl nur noch ganz selten und viel schwächer auf. We Space hat bei mir dazu einen spürbaren Beitrag geleistet.
Workshops:
Das offizielle Motto von We Space ist “Erlebnisbegegnung” und dieses Motto setzt einen wichtigen Orientierungspunkt, was überhaupt an Programmangeboten Sinn macht. Das ganze Konzept ist darauf ausgerichtet, das Menschen miteinander in Kontakt und in Beziehung gehen. Insofern sollten die Programmangebote diesen Fokus berücksichtigen. Und wenn man die vielen bisher angebotenen Workshops überfliegt, sieht man sofort, welche enorme Bandbreite innerhalb dieses Rahmens möglich ist. Für mich ist immer wieder faszinierend, wie toll und bereichernd Workshops von Teilnehmern seien können, die zum ersten mal auf einem We Space dabei sind und die auch zum ersten mal in ihrem Leben einen Workshop halten. Ich persönlich platziere gerne für mich die Workshops auf einer gedachten Skala von Intensivworkshops bis hin zu spielerischen Workshops. Wobei ich immer den potentiellen Risiken von Intensivworkshops viel Aufmerksamkeit schenke. Workshops wie z.B. „Spiegeln, oder „Schnupperencounter“ können einzelne Teilnehmer emotional ganz schön durchschütteln. Deshalb ist es wichtig diese Risiken beim vorstellen des Workshops in großer Runde transparent zu halten und klar zu kommunizieren, das die Workshopanbieter auch nach dem Workshop noch langfristig als Ansprechpartner bei Problemen zur Verfügung stehen. Generell gilt jedoch, das die Workshopanbieter sich nicht überschätzen sollten und die Teilnehmer selbstverantwortlich Workshops besuchen.
Das Angebotsprinzip
Da We Space ein freies Konzept ist, das niemandem gehört und das auch niemand kontrolliert, kann jeder der Lust hat selber ein We Space anbieten. Wer zum Initiator eines We Spaces wird, sollte zunächst einen Zeitraum und eine Location wählen und dann ein Orgateam zusammen stellen, so dass alle wichtigen Verantwortungsposten wie Essenseinkauf, Rahmenmoderation, Kommunikationskoordination (Googledoc, Facebook-Event…) abgedeckt sind. Das Angebotsprinzip besagt vor allem das diejenige, die von sich aus freiwillig in Initiative geht, auch in diesem Bereich die Entscheidungshoheit behält. Das soll vor allem ein ausbremsen durch langwierige und komplizierte Gruppenabstimmungsprozesse verhindern. Der Initiator bietet Freiräume an, die wiederum andere nutzen können, um ihrerseits dort Angebote ( z.B. Workshops ) zu machen – dieses Vorgehen macht Gruppenentscheidungssituationen fast überflüssig. Wem ein Angebot nicht gefällt, muss es nicht annehmen und so können hoch komplexe soziale Prozesse aus sich selbst heraus entstehen.
Erfahrungsgemäß gilt, das wer mit gutem Beispiel voran geht und sich bei seinen Angeboten Mühe gibt, um gute Bedingungen für alle zu schaffen, auch angenommen wird. Das gute alte “mehr geben als nehmen” kann, wenn es in einer Gruppenkultur tatsächlich etabliert wird, zu einer ganz erstaunlichen und bereichernden Eigendynamik führen. Und wie auch immer wir das hinbekommen haben, genau das funktionierte bei den bisherigen We Spaces einfach fantastisch.
Das Gemeinschaftsklima
Die gefühlte Gruppenstimmung ist vielleicht der wichtigste von allen Aspekten auf einem We Space Event und gleichzeitig auch der am schwersten zu beschreibende. Wie kann man überhaupt Einfluss auf eine Gruppenstimmung nehmen?
Wenn der Initiator es schafft, im Orgateam bereits im Voraus ein Klima der Achtsamkeit für die Bedürfnisse der Anderen vorzuleben und eine unterstützende und zuvorkommende Grundhaltung annimmt ist schon viel gewonnen. Außer mit gutem Beispiel voran zu gehen gibt es kaum Mittel der Einflussnahme. Mit liebevollen Details und Gesten kann man auch noch Punkten. Im Kern geht es wohl um die sichtbare Wertschätzung oder zumindest Respekt von jedem einzelnen, selbst gegenüber Teilnehmern, die man noch kaum oder gar nicht kennt. Auch ist es wichtig auf die anderen zuzugehen und das miteinander in Kontakt gehen, von Start weg als Normal zu etablieren. Deshalb ist auch die Startmoderation bei der Willkommensrunde ein sensibler Punkt. Wer diese Rolle übernimmt sollte versuchen das Potential der Gruppe rasch in Kontakt zu gehen (z.B. mit ein paar Aufwärm- und Kennenlernenspielen) auszureizen, jedoch den Bogen nicht zu überspannen und die Teilnehmer in eine unangenehme Nähe zu pressen. Das erfordert etwas Fingerspitzengefühl und üblicherweise eignen sich für diese Rolle vor allem besonders emotionale Teilnehmerinnen mit sicherem auftreten – selbst wenn sie noch niemals so etwas moderiert haben. Auch ist es sehr hilfreich, wenn möglichst viele Teilnehmer ein Auge darauf werfen, dass keiner aus der Gruppe heraus fällt und aktiv auf Leute zugehen und sie in Gespräche und Aktionen einbinden. Oft haben gerade diejenigen die etwas unsicher sind und die leicht aus solchen Gruppenbildungsprozessen hinaus fallen, besonders positive Erlebnisse, wenn die Gruppe es schafft sie voll rein zu holen, was der Gesamtstimmung dann sehr gut tut.
Auch ist es wichtig dem Prozess des “sich kennen lernens” und “miteinander warm werdens” genügend Zeit zu lassen und am Ende eines We Spaces ausreichend Zeit zum gemeinsam wieder runter kommen einzuplanen.
Vertrauen
Mit jedem angemeldeten Teilnehmer und jedem angekündigten Beitrag im Googledoc (Workshop, Moderation, Organisationsaufgaben) steigt das Vertrauen von (Erst-)Interessenten in das Event, weil es konkret vorstellbar wird. Dieses ansteigende Vertrauen ist gut über die Anmeldereihenfolge zu beobachten. Kurz nach der Erstankündigung des Events melden sich üblicherweise die Teilnehmer mit dem höchsten Grundvertrauen und starkem persönlichen Bezug zu den Orgateammitgliedern und erst kurz vor dem Event melden sich die unsicheren Teilnehmer, die noch wenig Leute kennen. Häufig ist es gerade für unsichere Teilnehmer entscheidend, mindestens einen Freund, oder eine Bezugsperson vor Ort zu haben, an die sie sich wenden können. Auch hilft es bei der Teilnahmeentscheidung im Googledoc möglichst transparent zu machen, was einen auf dem Wochenende erwartet und das es bei Unbehagen jederzeit die Möglichkeit zum ausweichen gibt, da die Befindlichkeit jedes einzelnen höchste Priorität hat. Auch einfache und spontane Abreisemöglichkeiten spielen hier eine wichtige Rolle.
Die Rahmenmoderation
Es hat sich als essenziell heraus gestellt, zu Beginn, in der Mitte und am Ende des Events jeweils einen moderierten Block zu stellen, bei dem die gesamte Gruppe zusammen kommt, um die Gruppe zusammenzuführen, zusammen zu halten und wieder aufzulösen. Das gelingen dieser Rahmenmoderation ist für das gelingen eines We Space Events von ganz entscheidender Bedeutung und es lohnt sich, hier besonders großen Wert darauf zu legen. Statt mit einem starren Moderationskonzept in eine solche Situation hinein zu gehen, bringt es entscheidende Vorteile aus einem Überfluss an vorbereiteten Moderationsmöglichkeiten diejenigen auszuwählen, die zu der aktuellen Situation am besten passen. Sprich ein gewisses Maß an Improvisation tut dem ganzen gut. Die Gesamtstimmung ist durch die Vielzahl der unberechenbaren Faktoren grundsätzlich zeitlich nicht weit im Voraus einschätzbar. Auf diese Unberechenbarkeit sollte man sich einstellen und mit einer gewissen Bandbreite von Impuls-Optionen vorbereitet sein. Ich versuche grundsätzlich zu Beginn einer solchen Moderationssituation in die Gruppe hineinzuspüren und mit gesundem Menschenverstand das zu tun, was im Moment am meisten Sinn macht und unter Umständen meine Moderationsvorbereitungen einfach zu ignorieren. Das wertvollste Instrument, das ich zur Verfügung habe, wenn ich als Moderator überfordert bin und nicht mehr weiter weiß, ist es diese Frage einfach ehrlich an die Gruppe zurück zu geben. „Ich weiß grad nicht weiter… was wollen wir denn jetzt machen? Wie geht’s euch gerade? Hat jemand eine gute Idee?“ Auf diese simple Weise habe ich schon eine ganze Reihe von brenzligen Situationen auflösen können 🙂 Was hingegen leicht schief geht, ist, wenn sich der Moderator bei Unsicherheit Autorität verschafft und mit gespielter Kompetenz die Gruppe direktiv anleitet und dabei das Gespür für die Bedürfnisse im Raum verliert. Mit Authentizität kann man auch als unerfahrender Moderator meist das Ruder in der Hand behalten. Wenn alle Stricke reißen kann man immer noch offen um Ablösung bitten. „Boaah Leute das überfordert mich gerade, kann mal jemand die Moderation übernehmen?“ Fast garantiert wird jemand der im Moment ein besseres Gespühr für die Gruppe hat, spontan einspringen und die Spannung wieder auflösen können. In selbstorganisierter Gruppendynamik schlummert eine unglaubliche Kraft.
Encounter
We Space ist aus der Wohnzimmer-Encountergruppe “Happy Hour” heraus entstanden. Kurz gesagt sind wir eine Gruppe von 8 Freunden, die sich seit vier Jahren regelmäßig treffen, um uns in einem relativ strukturierten Rahmen über unser emotionales Erleben auszutauschen. Nach etwa drei Jahren entstand das Bedürfnis diesen Prozess zu öffnen, dann entstand We Space und bald darauf weitere Encountergruppen. Beide Prozesse ( We Space & Encounter ) ergänzen, stabilisieren und stimulieren sich wechselseitig. Und beide Prozesse haben eine ähnliche Wirkung, obwohl sie in gewisser Hinsicht komplementäre Strukturen haben. Encountergruppen sind geschlossen, und We Space ist offen. Geschlossenheit verhindert Gruppenwachstum, Offenheit verhindert den Aufbau von tiefen Vertrauensverhältnissen. Rückt man beide Prozesse in eine sich überlappende Nachbarschaft, profitieren beide wechselseitig voneinander. Inzwischen hat sich ein Schnupper-Encounter-Workshop als fester Bestandteil des We Space Programmangebotes etabliert, der diesen theoretisch nur schwer erfassbaren Gruppenprozess in abgeschwächter Form erfahrbar macht. Natürlich kann man auch gänzlich ohne Encountergruppen ein We Space auf die Beine stellen, was man jedoch dabei im Hinterkopf behalten sollte ist, das es für den Initiator schwierig werden kann, Verantwortungsposten zu verteilen und Mitmachinitiative zu erzeugen, wenn er nur schwachen persönlichen Bezug zu den Orgateammitgliedern hat. Wechselseitiges Vertrauen und Sympathie füreinander ist der Nährboden für das erfolgreiche Aufteilen von Verantwortung und das aktivieren der Initiative der Orgateammitglieder. Insofern bietet eine Encountergruppe, die geschlossen als Orgateam auftritt, ideale Startbedingungen für das anstoßen eines We Spaces und genau so ist We Space auch entstanden.